Schulumgebung

naturnahe Aussenraumgestaltung

Didaktischer Kommentar

Dies ist der Kommentar zum gesamten Thema «Schulumgebung». Er enthält Hintergrundwissen und Projektinformationen zur Gestaltung des Aussenraumes. Die didaktischen Kommentare zu den jeweiligen Kapiteln sind nur durch die Eingabe des Login sichtbar.

Darum geht es

Mehr Raum für Kind und Natur

Die letzten 15 Jahre zeigen einen deutlichen Verlust der Artenvielfalt im aargauischen Siedlungsgebiet. Direkte Naturerfahrungen – entscheidend für eine ausgeglichene und gesunde Entwicklung – sind für unsere Kinder nachweislich rar geworden. Ökologie im Siedlungsraum ist deshalb nicht nur wertvoll für die Natur, sondern schafft unersetzbare Qualitäten im nächsten Wohnumfeld. Das Naturama Aargau fördert mit seinem Angebot «naturnahe und kinderfreundliche Schulumgebung» den Unterricht in Aussenräumen und die Ökologie im öffentlichen Raum.

Erfahrungsräume statt Spielplätze

Klassische Spielplätze mit eintönigen, technischen Installationen können die Bedürfnisse einer gesunden kindlichen Entwicklung und vielfältigen Naturerfahrungen nicht abdecken. Der Spiel- oder Pausenplatz, der von Erwachsenen für Erwachsene geplant und gebaut wurde, ist nicht mehr zeitgemäss. Es braucht Räume für Erfahrung, Bewegung, Naturbeobachtung, Spiel, Abenteuer, Begegnung oder Gestaltung.

Interessante Plätze lassen sich durch ihre Benutzerinnen und Benutzer wenigstens teilweise gestalten und verändern. Die Veränderbarkeit macht nicht nur die Räume interessant, sondern das Spiel, das Erlebnis und das Lernen vielfältig und kreativ. Werden dynamische Plätze mit standortgerechten Materialien und einheimischen Pflanzen gestaltet, entstehen ökologisch wertvolle Lebensräume, ein wichtiger Beitrag für mehr Biodiversität im Siedlungsraum.

Hintergrundwissen

Grunderfahrungen in der Natur

Mit dem beschleunigten gesellschaftlichen Wandel der vergangenen Jahre ändert sich auch unser Verhältnis zur Umwelt. 70 Prozent aller Kinder in der Schweiz wachsen in einem städtischen Umfeld auf. Die Natur gehört nicht mehr zu den Lebensräumen, die Kinder oder Jugendliche vor der Haustür, in ihrer Freizeit oder auf dem Schulweg entdecken. In der Folge wird die Natur für die junge Generation immer abstrakter und das Fundament an Grunderfahrungen geht verloren. Das Wissen über die Natur sinkt feststellbar, da es auf positiven, sinnlichen Erfahrungen in der Umwelt aufbaut und kaum mit schulischem, naturwissenschaftlichem Lernen kompensiert werden kann. 

Lebendige, veränderbare Raumkonzepte

Im Vordergrund für ein ökologisches und kinderfreundliches Wohn- und Lernumfeld stehen dynamische Raumkonzepte mit lebendigen Materialien und veränderbaren Elementen, die zum Aktivwerden anregen sowie Bewegung und Gestaltung ermöglichen. Lernprozesse von Kindern sollen Spuren hinterlassen dürfen. Ein attraktiver Aussenraum ermöglicht lebendiges Spiel, ruhige Erholungsphasen, herausfordernde Lernerfahrungen und soziale Kontakte. Dies ist mit zahlreichen Aktivitätsmöglichkeiten aus folgenden vier Bereichen möglich:

Kommunikation und Erholung: unterschiedliche Nischen, Sitzgelegenheiten, Arbeitsmöglichkeiten, Wegnetze und Witterungsschutz

Naturerfahrung und Erlebnisse: Möglichkeiten für Naturerfahrungen, Vielfalt an einheimischen Pflanzen und Tieren, Anregungen für eine Vielzahl von Aktivitäten

Bewegung und Aktivität: breites bewegungsförderndes Angebot, mobile Spielmaterialien, Bewegungslandschaften

Gestaltung und Kreativität: Kinderbaustelle, Laborfläche, bewegliche Bau- und Gestaltungsmaterialien, Veränderbarkeit

Ökologische Strukturen für Natur und Mensch

Lebensräume, die für viele einheimische Pflanzen- und Tierarten wertvoll sind, sind auch attraktive Erlebnisräume für Kinder. Bei der Errichtung von Räumen für Kinder gilt es, naturnah gestaltete Strukturen in ihrem Wohnumfeld oder auf öffentlichen Plätzen zu integrieren. Mit gezielten Massnahmen entstehen sowohl ökologisch wertvolle Flächen als auch attraktive Spiel- und Erlebnisräume. Renaturierte Bachläufe werden zu attraktiven Wasserspielzonen, Ruderalflächen zu Kinderbaustellen, auf Trockenwiesen werden Blumen gepflückt, Trockenmäuerchen dienen auch zum Versammeln und Ruhen. Heckensäume werden zu Verstecken und Nischen, Ast- und Steinhaufen zu Materialdepots für schöpferisches Gestalten. Die Erfahrung zeigt, dass dieser Lebensraum und die Kleinstrukturen sowohl einen Mehrwert für die Biodiversität als auch für das Spiel der Kinder darstellen kann.

Vom Kasernenplatz zum Erlebnisraum

Die Bildcollagen zeigen verschiedene Stadien einer Schulumgebung auf dem Weg vom konventionellen Pausenplatz zur naturnahen und kinderfreundlichen Lernumgebung.    

© Fotomontage Naturama Aargau

Sicherheitsansprüche an naturnahe Gestaltung

Anstatt technischen Installationen und möblierten Spielplätzen brauchen Kinder vor allem veränderbare, naturnahe Elemente. Diese können ebenso nach den Empfehlungen der Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) eingerichtet werden wie Spielgeräte mit Sicherheitszertifikat. Das Bewusstsein für Sicherheit und der Umgang mit Risiko sind wichtige Komponenten eines herausfordernden Spiels. Konventionelle Spielgeräte täuschen häufig ein trügerisches Sicherheitsgefühl vor und verhindern altersentsprechende Risikokompetenz und Gefahrenbewusstsein. Beides kann aber für ein gesundes Leben von grosser Bedeutung sein. Es liegt in der Verantwortung des Grundeigentümers – bei Schularealen ist dies meist die Gemeinde - , wie die Sicherheitsempfehlungen auf Spielplätzen umgesetzt werden.

Naturnah bedeutet extensiv und günstiger

Mit der naturnahen Gestaltung von Aussenräumen werden Plätze extensiviert. Vor allem auf nährstoffarmem Untergrund entwickeln sich Stauden, Sträucher und Bäume, die im Wechselspiel von Licht und Schatten, Trockenheit und Nässe eine grosse Vielfalt bilden. Die Extensivierung der Nährstoffe im Lebensraum bedeutet auch eine Extensivierung in Bau und Unterhalt. Von Werkdiensten oder Unternehmern fachgerecht umgesetzt, fallen geringere Kosten an. Weil bei der naturnahen Realisierung weniger asphaltiert, betoniert und technisch verbaut wird, reduzieren sich die Erstellungskosten markant. Wird schon bei der Planung an den Unterhalt gedacht, ist rationelleres Arbeiten möglich und der Aufwand sinkt oder verändert sich hin zu grosszügigeren, weniger häufigeren Eingriffen. 

Kind und Raum

Für die Entwicklung eines Kindes ist das Wohnumfeld von zentraler Bedeutung. Marco Hüttenmoser, Leiter der Forschungs- und Dokumentationsstelle «Kind und Umwelt», erklärt im Film «Kind und Raum» auf zeitraumaargau.ch, was eine kinderfreundliche Siedlung ausmacht. Kinder erzählen, wie sie ihre Freizeit mit anderen Kindern zusammen gestalten und was sie an der Siedlung schätzen. Es sind vor allem die Freiheit und die vielen Gleichaltrigen, die das Leben in der Siedlung für die Kinder attraktiv machen. Für die kindliche Entwicklung kann eine verdichtete Bauweise von Vorteil sein.

Informationen zu «Kind und Raum» im expedio Wegweiser zeitraumaargau:

Film mit Marco Hüttenmoser: «Kind und Raum»

Projektplanung

Umgestaltung des Aussenraumes

Der Film «Hügel, Pfütze, Stein und Strauch - vom traditionellen Pausenplatz zum kindergerechten Erlebnis- und Lernraum» zeigt die verschiedenen Projektphasen am Beispiel der Realisierung des naturnahen Aussenraumes des Quartierschulhauses Anglikon in Wohlen.

Projektphasen

Die Prozesse eines Projektes können sich je nach Ausgangslage und Ziel voneinander unterscheiden und sind zum Teil nicht klar abgrenzbar. In jeder Phase ist projektbezogene Partizipation einzuplanen.

1. Ausgangslage

  • Initalberatung
  • Ist-Analyse
  • Bedarfsklärung
  • Pädagogische Anforderungen

2. Planung

  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Gestaltungskonzept
  • Finanzierung
  • Planung

3. Realisierung

  • Arbeitsvergaben
  • Ausführung
  • Verankerung
  • Bauabnahme

4. Betrieb

  • Unterhalts- und Pflegeplan
  • Nutzungsordnung

5. Verstetigung

  • Evaluation und Dokumentation
  • Aneignung
  • Weiterentwicklung

Unterrichtsgestaltung

Lernumgebungen im Aussenraum

Umweltfragen können nicht allein auf einer wissenschaftlichen oder technischen Ebene gelöst werden, sondern müssen interdisziplinär angegangen werden. Umweltbildung und Bildung für Nachhaltige Entwicklung beschäftigen sich mit der Beziehung von Mensch und Umwelt. Im Zentrum stehen die Förderung der Handlungsbereitschaft und die Befähigung junger Generationen zum respektvollen Umgang mit den natürlichen Ressourcen.

Offene Lernprozesse und eine hohe Eigenaktivität der Schülerinnen und Schüler sind wichtig. Kompetenzen können nicht vermittelt werden, die Lernenden müssen sie aktiv erwerben. Zentrale didaktische Zugänge sind zum Beispiel: Lernen vor Ort an realen Situationen mit Alltagsbezug, eigenaktives, erforschendes, entdeckendes Lernen, Kooperation und Partizipation. Dafür bietet sich ein lebendiger Unterricht an, bei welchem dem Aussenraum eine weit grössere Bedeutung zukommt als einem blossen Pausen- oder Spielplatz.

Eine naturnah gestaltete Schulumgebung ersetzt aber auf keinen Fall ausserschulische Lernorte im Wald, am Bach oder auf der Wiese. Sie unterstützt die Lehrperson dabei, das Repertoire an Lerngelegenheiten im Aussenraum zu erweitern und kann die Organisation des Unterrichts durch kurze Wege und einen überschaubaren Rahmen erheblich erleichtern.

Partizipation als Gelingensfaktor

Die Gestaltung der Schulumgebung eignet sich ganz besonders für Partizipationsverfahren. Neben vielen anderen Gründen steigert sie die Identifikation mit dem Aussenraum. Schulumgebungen sind Brennpunkte unterschiedlichster Anspruchsgruppen. Zum einen geht es um die Partizipation Erwachsener: Lehrpersonen, Schulleitungen, Hauswarte, Behörden, Verwaltungspersonen, Eltern, Vereinsmitglieder oder Planungs- und andere Fachpersonen.

Zum anderen geht es vor allem darum, mit Kindern Entscheidungen zu fällen, gemeinsame Lösungen für Fragestellungen zu finden und die Umsetzung mitzutragen. Gelingensfaktoren der Partizipation: Für den Prozess müssen Strukturen geschaffen werden, die eine echte Mitwirkung garantieren. Die Bereitschaft muss vorhanden sein, dass alle dazulernen können und wollen. Die Realisierung muss zeitnah mit der Beteiligung geschehen. Die Teilhabe ist in jeder Phase eines Projektes möglich und umfasst alle Stufen: von der Information über die Mitwirkung, Entscheidung bis zur Selbstverantwortung.

Die Methoden zur Partizipation sind sehr vielfältig und unterschiedlich intensiv. Alter, Entwicklungsstand und die damit verbundenen Fähigkeiten und Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen sind in hohem Masse zu berücksichtigen. Die projektbezogenen Partizipationsverfahren reichen von einfachen Pausenbeobachtungen und Befragungen über Begehungen und Bewertungen über Modellbau oder aufwändiger Zukunftswerkstatt bis zu Bautagen und Unterhaltseinsätzen.

Partizipationsprojekte erhöhen nicht nur die Qualität des Aussenraumes, sie unterstützen auch die ganzheitliche Entwicklung von Schülerinnen und Schülern und leisten einen wichtigen Beitrag zur Bildung nachhaltiger Entwicklung (BNE). 

Schulumgebung expedio.ch

Das Thema der Schulumgebung enthält einerseits Wissen und Methoden für Schulen, Lehrpersonen und Arbeitsgruppen einen Schulhausplatz nach pädagogischen und ökologischen Kriterien in einem partizipativen Prozess zu gestalten. Andererseits erhalten Lehrpersonen Impulse und Materialien für einen aktiv entdeckenden Unterricht, die Schulumgebung wahrzunehmen, Aktivitäten einzuschätzen und ökologische Kleinstrukturen zu erkunden. Genauere Informationen betreffend Schulumgebung sind in den jeweiligen didaktischen Kommentaren der einzelnen Kapiteln zu finden. Andere Schwerpunkte lassen sich mit weiteren Themen aus expedio.ch vertiefen. 

Naturama Aargau

Fachstelle Umweltbildung

Beratung, Weiterbildung und Konzeptarbeit

Im Auftrag des Departementes Bildung,  Kultur und Sport unterstützt der Bereich Bildung des Naturama Aargau Gemeinden, Behörden, Arbeitsgruppen, Schulen und Institutionen auf dem Weg zu einer naturnahen und kinderfreundlichen Schulumgebung. Das Angebot «Vom traditionellen Pausenplatz zum kindgerechten Erlebnis- und Lernraum» ist von der Schweizerischen UNESCO-Kommission als Aktivität der UNO-Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ausgezeichnet worden. Die Fachstelle Umweltbildung des Naturama verfügt über eine mehr als 20-jährige Erfahrung in der Beratung und Begleitung von Gemeinden des Kantons Aargau und eine interkantonale Vernetzung. Initialberatungen und Weiterbildungen für Kollegien werden für Aargauer Schulen gratis angeboten. Die anspruchsvolle Gestaltung von naturnahen Aussenräumen wird durch massgeschneiderte Projektentwicklung, individuelle Konzepterarbeitung und Partizipation verschiedener Anspruchsgruppen zielorientiert umgesetzt.

Material

Bibliothek Naturama Aargau

Das breite Medienangebot umfasst Fachbücher zur Aussenraumgestaltung verschiedenster Schwerpunkte: Diese reichen von der Argumentation und der Projektplanung über die Realisierung einzelner Elemente und Aspekten der Sicherheit bis zur Partizipation oder zum praxiserprobten Beispiel. Daneben finden sich interdisziplinäre Unterrichtsmedien mit verschiedenen Themenschwerpunkten. Diese bieten ein breit gefächertes Angebot mit vielen Impulsen für eine erfolgreiche Projektumsetzung in den Bereichen Bewegung, Naturerfahrung, Schöpferisches, Gesundheitsförderung oder Soziales.

Weitere Informationen zur Bibliothek:

Material

weitere Bezüge

Departement Bau, Verkehr und Landschaft
Kanton Aargau

Natur und Landschaft

Beratung Natur in Siedlungsgebieten, Vernetzung naturnaher Freiräume

Kontakt: alg@ag.ch 062 835 64 50

Weitere Informationen: www.ag.ch/bvu → umwelt_natur_landschaft → naturschutz

Departement Bildung, Kultur und Sport Kanton Aargau

Kinder- und Jugendförderung

Beratung und finanzielle Unterstützung der offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, finanzielle Unterstützung über den Swisslos-Fonds

Kontakt: jugendnoSpam@ag.noSpamch 062 835 22 97

Weitere Informationen:www.ag.ch/jugend → regionale jugendförderung / kommunale jugendförderung

QuAktiv
Naturnahe, kinder- und jugendgerechte Quartier- und Siedlungsentwicklung im Kanton Aargau

Unter der Leitung der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW wurde das Programm «QuAKTIV - Naturnahe, kinder- und jugendgerechte Quartier- und Siedlungsentwicklung im Kanton Aargau» erarbeitet. 

Das Projekt wurde in Kooperation mit dem Kanton Aargau (Departement Bau, Verkehr und Umwelt und Departement Bildung, Kultur und Sport) und dem Naturama Aargau (Fachstelle Umweltbildung) durchgeführt und unterstützt durch Swisslos Kanton Aargau und Stiftung Mercator Schweiz.

Grundlagen, Vorgehen und Methoden aus den Pilotgemeinden sowie die Erfahrungen der Kooperationspartner sind in einer Praxishilfe verfügbar.

Lehrmittel Natur und Technik

Schulverlagplus AG, Bern und Lehrmittelverlag Zürich erarbeiten zu den Kompetenzbereichen Natur und Technik für die Primarstufe (Zyklus 1 und 2) eine neue Lehrwerksreihe. Im Sommer 2016 erscheint das Lehrmittel. Seit 2 Jahren ist ein interkantonal zusammengesetztes Team von Autorinnen und Autoren an der Arbeit. Dazu gehört auch das Naturama Aargau. Gewisse Inhalte des neuen Lehrmittels "NaTech" werden auch auf expedio.ch vertieft und durch multimediale Möglichkeiten ergänzt.